Wir sprechen mit Gypsy über ihren Hintergrund als muslimische Drag Queen und ihren Aktivismus gegen Homo- und Trans*feindlichkeit.
Hallo Gypsy! Schön, dich zu sehen!
Gypsy: Hello hello hello! Ich freue mich, dabei zu sein!
Stell dich mal vor und sag uns, wie du zu Drag gekommen bist.
Gypsy: Sehr gerne! Ich bin Gypsy, 24 Jahre alt und mache Drag seit 4 Jahren. Ich bin zu Drag durch die Serie RuPaul’s Drag Race gekommen – voll basic (lacht). Aber ja, ich habe schon immer Make-up geliebt, ich habe schon immer das Schauspiel geliebt, die Kleider, und ja – es ist für mich einfach ein Medium, all meine Interessen ausdrücken zu können.
Wenn man sich deine Social Media-Präsenz anschaut, merkt man direkt, dass dir gesellschaftliche und politische Aufklärung wichtig sind. Woher kommt das?
Gypsy: Sehr gute Frage! Es gibt ja wirklich tausend Richtungen in Drag. Es gibt die Fashion Queens, Comedy… und mir war von Anfang an klar, dass ich mit Drag etwas erreichen wollte. Wenn man sich mit Drag befasst, wird klar, dass Drag schon immer politisch war und sich Drag Künstler_innen schon immer für bestimmte Dinge eingesetzt haben. Und ich finde es schade, wenn das ganze verloren geht. Ich komme aus einer muslimischen Familie, einer Familie, die mich nie so richtig akzeptiert hat, und wenn ich mit Drag Menschen helfen kann, die in einer ähnlichen Situation sind, will ich das tun.
Du hast in Drag einfach ein riesiges Sprachrohr, kriegst natürlich mehr Aufmerksamkeit. Und ich habe schnell verstanden, dass ich in Drag mehr bewegen und reißen kann.
Bist du dir dabei einer gewissen Alleinstellung – besonders was die Szene in NRW angeht – bewusst?
Gypsy: Ich würde nicht sagen, dass ich damit allein bin. Es gibt viele Muslime, die Drag machen, aber es nicht öffentlich ausleben können. Ich verstehe das auch total. Es ist super gefährlich, man bekommt Morddrohungen und es ist super tabuisiert.
Ich würde nicht sagen, dass ich die erste Person bin, aber die erste nach einer längeren Zeit, die den Stein wieder ins Rollen gebracht hat und damit auch eine andere Gruppe anspricht. Viele gehen auf CSDs, wie ich, und sprechen Menschen an, welche sowieso liberal sind. Und ich finde es eben sehr wichtig, auch Menschen anzusprechen, die nicht liberal sind. Solche Leute gucken sich keine Pride-Paraden an. Die muss man woanders abholen. Und ich kann auch verstehen, dass viele Kolleg_innen das nicht machen können.
Man bezahlt auf jeden Fall einen Preis, man bekommt unglaublich viel Hass ab, aber irgendjemand muss es machen, damit wir weiterkommen.
Man befindet sich als Drag-Künstler_in auf jeden Fall in einer Bubble. Man spricht wirklich fast nur mit Menschen, die sowieso schon mit dem Thema vertraut sind. Weswegen es ja nur umso spannender ist, dass du genau außerhalb dieser Bubble ansetzt.
Gypsy: Ja auf jeden Fall. Bevor es bei mir mit Social Media wirklich losging, hatte ich ja auch einen privaten Account, bei dem genau das passiert ist, was ihr angesprochen habt. Nur mir ist es wichtig, eben auch andere Gruppen anzusprechen.
Aus welchen Momenten in Drag nimmst und ziehst du dir die Kraft, solche (doch recht kontroverse) Aufklärungsarbeit zu tätigen?
Gypsy: Drag ist für mich eine Superhelden-Rolle. Ich glaube ich bin stärker, selbstbewusster und mutiger. Es prasselt viel mehr an mir ab im Gegensatz zu meinem “wahren Ich”. Ich denke, dass ich daraus meine Kraft ziehe.
Würdest du denn sagen, dass du in Drag eine Rolle spielst?
Gypsy: Gute Frage.. Klar gibt es die Rolle “Gypsy”. Aber es gibt ja auch Leute, für die sind Drag und ihr reguläres Ich zwei verschiedene Paar Schuhe. Ich glaube bei mir ist es eine Facette von mir, die ich nur durch Drag ausleben kann.
Was zeichnet dich als Queen denn besonders aus? Worauf bist du besonders stolz in Drag?
Gypsy: Definitiv mein Background. Ich schätze, dass mein Hintergrund mich einfach dazu befähigt, Dinge anzusprechen und anzumerken, auf die andere gar nicht kommen würden. Ich glaube das macht mich in der Umsetzung dieser Dinge auf jeden Fall auch radikaler, vor allem bei Ungerechtigkeiten wie Homo- und Trans*phobie.
Viele Artists sind da auf jeden Fall in einem größeren Safe-Space als du.
Gypsy: Es ist ja auch wichtig, dass sie in ihrem Safe-Space sind. Das haben sich Leute mit Diskriminierungserfahrungen ja auch verdient. Aber ich finde es ebenso wichtig, darauf aufmerksam zu machen, welches Privileg wir hier in Deutschland haben. Wir haben das Gesetz auf unserer Seite, um so zu sein wie wir sind. In anderen Ländern ist das definitiv nicht so. In vielen islamischen Ländern werden unsere Geschwister verfolgt und ermordet. Es ist daher für mich wichtig, über den Tellerrand zu schauen. Mein Privileg zu nutzen, um anderen zu helfen.
Was kommt für dich als nächstes? Hast du Zukunftspläne?
Gypsy: Ich will definitiv meine Aufklärungsarbeit weiter fortführen, ausbreiten und neue Leute damit erreichen. Vor allem auf Social Media will ich Leute mehr in die Verantwortung ziehen, die ihre Reichweite ausnutzen, um damit gegen Menschen mit Diskriminierungserfahrungen zu wettern. Ich hoffe, dass ich damit auf eine größere Bühne komme.
Deine Arbeit lebt ja wirklich davon, auf einer großen Bühne präsentiert zu werden.
Gypsy: Man erreicht einfach viele verschiedene Meinungen und Menschen, die man normalerweise nicht wirklich erreichen würde. Und da will ich ansetzen. Und an alle, die in einer ähnlichen Situation sind, die aus einer Familie kommen, die sie nicht akzeptiert: Ich helfe euch gerne und bin auch für euch da.
Hast du zum Abschluss noch etwas, was du gern mit den Leser_innen teilen würdest?
Gypsy: Am 18.08. könnt ihr gerne bei SternTV vorbeischauen (lacht). Zudem könnt ihr gerne auf meine Social Media-Kanäle schauen und euch mit mir austauschen, ich bin gerne für euch da.
Vielen Dank dir, Gypsy!
Gypsy: Danke für das schöne Interview!
Ihr könnt Gypsy auf Instagram finden: @kweengypsy.
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